11. Szene: Hippies
Personen:
1. Sänger
2. Sänger
Frank Krüger
1. Vater
2. Vater
1. Student Ohnesorg
2. Student Ohnesorg
3. Student Ohnesorg
Fritz Teufel
Rainer Langhans
Studentenführer Vietnam
Sprecher Luther King
1. Student APO
2. Student APO
3. Student APO
4. Student APO
5. Student APO
6. Student APO
1. Leser
2. Leser
1. Chor
2. Chor
Radiosprecher Prag
1. Sprecher
2. Sprecher
1. Person
2. Person
3. Person
4. Person
5. Person
Mehrere Studenten
Es wird eine zweite Bühne auf die Bühne gestellt
(in den folgenden Regieanweisungen wird die richtige Bühne Bühne 1,
die zweite Bühne 2 genannt). Studenten sitzen als Zuschauer um die Bühne 2 herum.
Auf der Bühne 2 ist eine Weltkugel. Ein Sänger tritt auf und dreht die Weltkugel
auf Deutschland.
Sänger:
Das Lied vom Tode Benno Ohnesorgs
Als euch im Juni 67 der SchahinSchah besucht
Empfangt ihr ihn mit Festlichkeiten
Und Uniformierten, die ihn begleiten
Und Staatspolitikern, sehr hochbetucht.
Mit welchem Recht sperrt Ihr uns Straßen ab,
Verlangt von uns auch noch, dass wir's verstehn.
Wer war's der Euch hierfür Erlaubnis gab.
Muss man denn immer über Grenzen gehen?
Die Politik des Schahs ist nicht in jedem Sinn
Ihr kennt die Wut, die wir deswegen hegen.
Die Jubelperser schienen Euch Gewinn
Nun traut Euch auch mit uns euch ehrlich anzulegen.
Uns wie die Kühe durch die Gassen treiben
Verfolgt von Bullen irren wir umher
Uns immer an den Fersen bleiben
Im Hofe können wir nicht mehr.
Warum schützt Ihr uns nicht mit Staatsgewalt?
Reizt lieber die, die über Grenzen denken!
Wo ist das Muss, dass eines Staates Waffe knallt
Und einer muss, für unsern Schrei sein Leben schenken.
Der Sänger geht ab. Frank Krüger springt auf die Bühne 2.
Frank Krüger:
Ich stand an dieser Stelle, als der Schuss fiel. Ich habe gesehen,
wie eine Schar von sechs bis acht Polizisten auf den Studenten eindrang,
wie er mit Knüppeln bearbeitet wurde, wie er wehrlos und passiv in dieser
Traube von Polizisten hing, und dann habe ich das Mündungsfeuer der Pistole
gesehen. Es war ungefähr in Kopfhöhe. Im nächsten Moment lag der Student am
Boden und rührte sich nicht.
Aussage des Musikstudenten Frank Krüger
über den Todesschuss auf Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967.
Drei Personen der Elterngeneration gehen mit Stühlen auf die Bühne 2.
Mit ihnen gehen drei Studenten, welche sich hinter die sitzenden Studenten
setzen.
1. Vater:
Wenn eure Eltern jemanden zu sich nach Hause einladen,
habt ihr nicht das Recht, diesen wieder auszuladen. Eben so wenig habt ihr das
Recht, einen Gast der Regierung wieder auszuladen.
1. Student:
Benno Ohnesorg starb bei der ersten Demonstration seines Lebens.
2. Student:
Ab jetzt werde ich mit demonstrieren!
3. Student:
Jedes Mal. Ab jetzt bin ich rot!
Mehrere Studenten kommen auf die Bühne 2. Sie halten Plakate hoch,
auf denen steht: "Heute Benno, morgen wir!", "Benno Ohnesorg
erschossen!", "Wir trauern um Benno Ohnesorg!"
2. Vater:
Wer Terror produziert, muss Härte in Kauf nehmen.
Ein zweiter Sänger tritt auf die Bühne 2.
Sänger:
Das Lied von den Taten und Untaten der Kommune 1
Die Masse finden sie fatal
Und sie zu schmähen ist ihr streben
Die Tradition ist ihre Qual
Sie müssen gegen jede Regel leben
Doch diesen Regeln treu geblieben,
Empört der Pöbel sich an ihr,
Kommune 1 kann er nicht lieben:
"Der Mensch wird langsam wieder Tier".
Ruft er und findets anstandslos
Orgastisch leben sie privat.
Der Teufel Fritz, der Langhans Rainer
Und ärgern permanent den Staat
Ganz öffentlich beginnen sie
den hemmungslosen Sex zu treiben.
Sie rauchen Haschisch wie noch nie
Und woll'n in ihrer Szene bleiben.
Staat und die Presse sind empört
Da Zuspruch aus dem Volke kommt
Als man von den Exzessen hört
Agiert man staatsgewaltig prompt.
Während des Liedes treten Rainer Langhans und Fritz Teufel mit
Flugblättern in der Hand auf die Bühne 2. Sie verteilen die Flugblätter
ans Publikum und lesen Auszüge daraus vor.
Fritz Teufel:
Schaut doch nicht so saublöd - Mund zu!!
Rainer Langhans:
Oder brüllt ein bisschen rum:
a) In den Osten mit euch
b) Ins Arbeitshaus
c) Von unseren Steuern
d) Rübe ab, das wäre richtig
e) Unter Hitler wäre das nicht...
das beruhigt ungemein.
Fritz Teufel:
Reißt die Mauer ab und baut sie um das Rathaus Schöneberg!
Beide:
MAN MUSS DEN TEUFEL FEIERN, SOLANGE ER LOS IST!
KOMMUNE 1, 12. 8. 67
Ein Sänger betritt die Bühne 2.
Sänger:
Das Lied vom grausigen Morden in Vietnam
Entschuldigung, verehrtes Bürgertum,
Verzeiht die grobe Störung.
Doch seht Euch auf der Welt mal um (er dreht die Weltkugel auf Vietnam)
Wir brauchen eine Lösung.
Zwar, ich verstehs, auch Ihr habt Sorgen:
Ein neues Auto und ein frischer Braten
Müssen her und morgen
Die Blumen für den Vordergarten.
Doch in Vietnam sind Mord und Grauen,
Das täglich Brot in einem Krieg,
In dem die Männer wie die Frauen
Ihr Leben opfern für den Sieg.
Dort gibt es keine Blumen, keinen Braten.
Nur Napalm gibt es und den blut'gen Tod.
Verhindert diese Greueltaten
Ihr lebt im Spieß, nicht in der Not!
Der Sänger geht ab. Ein Studentenführer steigt auf ein
Podest oder auf einen Stuhl, der auf der Bühne 2 steht. Ein Trommelrhythmus
begleitet den folgenden Einsatz.
Studentenführer:
Mord durch Napalmbomben! Mord durch Giftgas! Mord durch Atombomben!
Die US Aggression in Vietnam verstößt nicht gegen die Interessen des
demokratischen Systems: Wer es wagt, sich aufzulehnen gegen Ausbeutung und
Unterdrückung, wird von den Herrschenden mit Brutalität niedergemacht.
Die Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas kämpfen gegen Hunger,
Tod und Entmenschlichung. Die ehemaligen Sklaven wollen Menschen werden.
Kuba, Kongo, Vietnam die Antwort der Kapitalisten ist Krieg.
Jetzt bleibt den Unterdrückten nur noch der Griff zur Waffe.
Für sie heißt Zukunft:
Alle Studenten:
Revolution!
Studentenführer:
Wir sollen den Herrschenden beim Völkermord helfen. Deshalb beschwören sie
das Gespenst der gelben Gefahr. Wie lange noch lassen wir es zu, dass in unserem
Namen gemordet wird? Amis raus aus Vietnam!
Alle Studenten:
Amis raus aus Vietnam!
Der Radiosprecher und der Sänger gehen ab. Ein Sänger betritt die Bühne 2.
Er dreht die Weltkugel auf die USA.
Sänger:
Das Lied vom Tode Martin Luther Kings
"I have a dream", sprach er und einte
Die schwarzen Bürger zum Protest
Jedoch der weiße Mann verneinte
Das hoffungsvolle Manifest
Nicht länger mehr als Menschen zweiter Klasse
Gelten - das hatten sie erkannt
Und Martin Luther King begeisterte die Masse
Gewaltlos Christlich wollte er den Widerstand
Dann traf die Kugel ihn, vom Heckenschützen abgegeben
Die Arroganz der Weiäen hatte es soweit gebracht
Als Martin Luther King verlor sein Leben
Gab es den größten Aufstand, Schwarze gegen weiße Macht.
Ein Sprecher betritt begleitet von Gefahr verbreitenden
Trommelschlägen die Bühne.
Sprecher:
Wir definieren uns selbst. Wir übernehmen nicht die Definition des Weißen,
der uns als faul, dumm und unkultiviert darstellt. Wir erkennen unsere eigene
Schönheit und unsere eigene Kultur. Wir schämen uns nicht mehr, schwarz zu sein.
Denn ein Volk, das sich seiner selbst schämt, kann nicht frei sein. Man hat sich
unserer Hautfarbe bedient, um uns zu unterdrücken; wir werden uns ihrer bedienen,
um uns zu befreien.
Alle:
Black Power.
aus: CheSchahShit
Seite 123
Der Sprecher und der Sänger gehen ab.
Ein Sänger betritt die Bühne.
Sänger:
Das Lied von der APO
Die APO will sich hier formieren
Und auf den Straßen demonstrieren
Will sozialistisch agitieren
Und die Gesellschaft transformieren
Zuvor, so heißt das Losungswort
Der APO, muss der Mief noch fort
Der Professoren - müssen Springer und das Kapital
Beseitigt werden - ein für alle mal
Gleichgesinnte in diesem Land
Die Mao-Bibel in der Hand
Auf den Fahnen Castro, Min und Che
Der alte Spieß ist bald passé
Mehrere Personen kommen mit Utensilien ausgerüstet
auf die Bühne 2.
1. Student:
Ich bin ein Notstandsmuffel!
2. Student:
Mir ist es egal wenn meine Post geöffnet wird.
3. Student:
Mir ist es egal wenn mein Auto beschlagnahmt wird.
4. Student:
Mir ist es egal wenn ich zwangsverpflichtet werde.
5. Student:
Mir ist es egal wenn im Frieden Panzer gegen mich eingesetzt werden.
6. Student:
Aber mir ist nicht egal, wenn ich in meiner Ruhe gestört werde.
Alle Studenten:
Wollen Sie auch ein Notstandsmuffel sein?
aus: Provokationen
Seite 153
Ein Sänger betritt die Bühne 2.
Sänger:
Also, wenn Vati loslegt, dann bringt er so seine Argumente.
Z. B. Fall Dutschke, sagt Vati. Möchte ich gern mal mit sprechen, wirklich.
Und wisst Ihr, was ich ihn dann sagen hörte?
Lieber Rudi Dutschke, wird Vati sagen, das ist ja alles ganz gut und schön,
aber kaputtschlagen kann jeder, doch wie ist es denn mit:
Ärmel aufkrempeln, zupacken, aufbauen.
Ja Vati scheut keine Auseinandersetzungen.
Und trotz allem hat er ein Herz für die jungen Leute.
Lieber Rudi Dutschke, würde Vati sagen, Wissen Sie, was das hieß?
Studieren damals: Keine Bücher, kein Brot, kein Bier.
Ja da hatte keiner Flausen im Kopf, die Welt verbessern und so.
In alten Komissklamotten, paar mal gewendet, so sind wir rumgelaufen.
Aber, wir haben uns gewaschen.
Und wenn es keine Seife gab, mit Sand, jawohl mit Sand.
Von wegen Asta, Mitbestimmung, wisst Ihr, was der gemacht hat?
Gehamstert, das was wir zu Essen hatten. Wir und die Professoren.
Und trotzdem, wir waren auch richtige Studenten.
Haben zusammengehockt, nächtelang, die Köpfe uns heißgeredet.
Aber wir haben gelernt, gelernt, gelernt und nochmals gelernt.
Aber wir haben's geschafft. Und warum? Weil, wir haben gewusst, was das heißt.
Ärmel aufkrempeln, zupacken, aufbauen.
Also, wenn Vati loslegt, fragt man sich immer:
Was ist der bloß so wütend? Hat er gemerkt, das ihn keiner mehr ernst nimmt?
von: Franz Josef Degenhart
Vatis Argumente
Zwei Leser treten auf.
1. Leser:
Rudi Dutschke in einem Interview mit Günter Gauss:
2. Leser:
Frage: Wenn Ihre revolutionäre Bewegung groß wird: Wie wollen Sie verhindern,
dass sich auch bei Ihnen ein Führungsapparat bildet?
1. Leser:
Dutschke: Es hängt von der außerparlamentarischen Bewegung ab, ob sie in der
Lage ist, die verschiedenen Stufen in ihrer Entfaltung mit den verschiedenen
Bewusstseinsstufen ihrer Bewegung zu verbinden. Genauer: Wenn wir es schaffen,
den Transformationsprozess - einen langwierigen Prozess - als Prozess der
Bewusstwerdung der an der Bewegung Beteiligten zu strukturieren, werden die
bewusstseinsmäßigen Voraussetzungen geschaffen, die es verunmöglichen, dass
die Apparate sich bilden und Eliten uns manipulieren, dass es eine neue Klasse
gibt.
2. Leser:
Frage: Sie gehen davon aus, dass der Mensch absolut bildungsfähig ist,
dass der Mensch besser werden kann?
1. Leser:
Dutschke: Ich gehe davon aus, dass der Mensch nicht dazu verurteilt ist,
dem blinden Spiel der Zufälle in Geschichte unterworfen zu bleiben.
2. Leser:
Frage: Er kann die Geschichte selbst in die Hand nehmen?
1. Leser:
Dutschke: Er hat sie schon immer gemacht, er hat sie bloß noch nicht bewusst
gemacht. Und jetzt muss er sie endlich bewusst machen, unter Kontrolle nehmen.
2. Leser:
Frage: Wie regiert sich dieser Mensch? Dieser Idealmensch in dieser
Gesellschaft? Wer führt ihn?
2. Leser:
Dutschke: Er führt sich! Bei uns sind die entscheidenden Komponenten:
Selbsttätigkeit, Selbstorganisation, Entfaltung der Initiative und der
Bewusstheit des Menschen und kein Führerprinzip!
Auf der Bühne 1 befinden sich zwei kleine Chöre.
1. Chor:
Stoppt Dutschke jetzt! Sonst gibt's Bürgerkrieg.
Störenfriede ausmerzen!
2. Chor:
Stoppt den Terror der Jungroten, jetzt!
Ein weiterer Sänger betritt die Bühne 2 und dreht die
Weltkugel auf die CSSR.
Sänger:
Das Lied vom Prager Frühling
Ihr kennt die kommunistischen Verfahren,
Denen man nur schwer entkommen kann.
Dubceck wollte Prag davor bewahren
Indem er einen dritten Weg ersann.
Sein Sozialismus sollte menschlich sein,
Der Menschen Freiheit garantieren.
Es setzt der Prager Frühling ein,
Die Sowjets scheinen zu verlieren.
Doch Onkel Wanja sieht es als Verhängnis,
Das einer seiner Brüder anders ist.
Dies Land wird wieder ein Gefängnis!
Ruft Breschnjew, der prinzipientreue Kommunist.
Und alle Hoffnung wird vernichtet
Inmitten Panzer und Soldatenheeren.
Die neue Freiheit ist gerichtet,
Die Prager konnten sich nicht wehren.
Ein Radiosprecher kommt auf die Bühne 2.
In seiner folgenden Rede wird er von Trommeln begleitet.
Radiosprecher:
Radio Prag, Mittwoch, 21. August 1968, 4.30 h:
Gestern, am 20. August 1968, etwa 23 Uhr, überschritten Truppen der Sowjetunion,
der Polnischen Volksrepublik, der DDR, der Ungarischen Volksrepublik und der
Bulgarischen Volksrepublik die Staatsgrenze der CSSR Dies geschah ohne Wissen
des Präsidenten der Republik... Das Präsidium des ZK der KPC ruft alle Bürger
unserer Republik auf, Ruhe zu bewahren und den einrückenden Truppen keinen
Widerstand zu leisten, weil die Verteidigung unserer Staatsgrenzen nunmehr
unmöglich ist. Deshalb erhielten weder unsere Armee noch die Sicherheitsorgane
den Befehl zur Verteidigung des Landes.
Alle Studenten:
Dubcek, Dubcek, Dubcek!
Radiosprecher:
Radio Prag, 7.50 h:
Unser Gebäude wurde von sowjetischen Einheiten umringt. ( ... ) Es ist
unwahrscheinlich, dass wir noch weitere Nachrichten herausgeben können.
( ... ) Die Bevölkerung versucht immer noch, sich hinter Autos und Lastkraftwagen
zu verbarrikadieren. Zunächst haben die Okkupationstruppen noch keinen Zutritt
zum Rundfunkgebäude, aber wir wissen nicht, wie lange sich diese Situation noch
hält. In diesem Augenblick war ein scharfes Schießen in der Vinohradská zu hören.
Die Leute flüchten in Richtung auf unser Gebäude vor den Salven der MG und rufen:
Alle Studenten:
Dubcek, Dubcek, Dubcek!
Radiosprecher:
Und wir schließen uns ihnen an. ( ... ) Es ist nicht möglich, dass wir in
dieser Situation untergehen... Lasst uns weiter an den Sozialismus und die
Demokratie glauben! Sie hören die Schüsse...
aus: CheSchahShit
Seite 151-152
Ein Sprecher tritt auf die Bühne 2.
1. Sprecher:
Drei Kugeln auf Rudi Dutschke
Ein blutiges Attentat
Wir haben genau gesehen
Wer da geschossen hat
Ach Deutschland, deine Mörder!
Es ist das alte Lied
Schon wieder Blut und Tränen
Was gehst Du denn mit denen
Du weißt doch was Dir blüht!
Die Kugel Nummer Eins kam
Aus Springers Zeitungswald
Ihr habt dem Mann die Groschen
Auch noch dafür bezahlt
Des zweiten Schusses Schütze
Im Schöneberger Haus
Sein Mund war ja die Mündung
da kam die Kugel raus
Der Edel Nazi Kanzler
Schoß Kugel Nummer Drei
Er legte gleich der Witwe
den Beileidsbrief mit bei
Es haben die paar Herren
So viel schon umgebracht
Statt dass sie Euch zerbrechen
Zerbrecht jetzt ihre Macht!
Ach Deutschland, deine Mörder!
Es ist das alte Lied Schon wieder Blut und Tränen
Was gehst Du denn mit denen
Du weißt doch was Dir blüht!
Wolf Biermann
Drei Kugeln auf Rudi Dutschke
Alle sind auf der Bühne 1 verteilt, mehrer sprechen nacheinander.
1. Person:
Jeder ist ersetzbar.
Der Kampf geht weiter
Das stimmt.
2. Person:
Aber das stimmt auch nicht:
Nicht jeder ist ersetzbar
3. Person:
und der Kampf hat immer nur das Gesicht und das Herz
des Menschen der kämpft
4. Person:
Was ich von dir gelernt habe:
Dass Freiheit Güte und Liebe sein muss und dass Güte und Liebe
Freiheit sein müssen
5. Person:
und dass der Kampf um Freiheit und Güte und Liebe
nicht ohne Freiheit und Güte und Liebe geführt werden kann
Erich Fried
Vorgetragen auf der Trauerfeier am 3. Januar 1980
Alle treten langsam ab.
2. Sprecher:
In der Erinnerung war alles ein schwerer, ferner Traum, ohne Zusammenhang
in den unausschöpfbaren Dimensionen nebeneinander existierender Augenblicke.
Bilder ohne Sinn, vergessene Worte, versunkene Melodien, und doch stand alles
unwandelbar fest, war Gewissheit und nicht mehr zu verändern, wurde geschaffen
von Männern und Frauen, die auf alten, längst von Bäumen und Sträuchern
überwachsenen Friedhöfen lagen, Asche zu Asche, Staub zu Staub, und doch blieben
ihre Worte, ihre Ideen, ihr Glauben und ihr Schicksal ein undeutlicher Nachlass.
aus: In der Erinnerung
Seite 247
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