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Bilder
Das Stück

3. Szene: Bau der Mauer


Personen:

DDR-Jugendliche
Volkspolizisten
Zeitungsverkäufer
1. Zeitungsleser BRD
2. Zeitungsleser BRD
1. Zeitungsleser DDR
1. Zeitungsverkäufer BRD
2. Zeitungsverkäufer BRD
3. Zeitungsverkäufer BRD
4. Zeitungsverkäufer BRD
5. Zeitungsverkäufer BRD
DDR-Arbeiter
Vater
Ursula
Jugendliche BRD
Mann
Frau
Weitere BRD Bürger
Weitere DDR Arbeiter


Die DDR-Jugendlichen aus der vorigen Szene tanzen Mambo. Plötzlich treten Volkspolizisten mit Gerätschaften, Stacheldraht etc. auf. Der Tanz bricht ab. Die Volkspolizisten beginnen in der Mitte der Bühne, eine "Mauer" zu errichten, so dass es DDR-Seite und BRD-Seite gibt. Die DDR-Jugendlichen schauen fassungslos zu. Alle drehen sich dem Publikum zu. Auf der DDR-Seite erscheint ein Zeitungsverkäufer.

Zeitungsverkäufer:

Extrablatt, Neues Deutschland: Chruschtschow fordert Abzug der West-Allierten aus Berlin. Extrablatt, Extrablatt. Und die Kontrolle der Zugangswege durch die DDR. Berlin soll freie Stadt werden.

Auf der BRD-Seite erscheinen einige Personen, darunter sind Zeitungsverkäufer.

Zeitungsverkäufer:

Extrablatt, J.F. Kennedy weist Ultimatum Chruschtschows zurück.

Ein Bürger kauft eine Zeitung, blättert darin, liest vor.

1. Zeitungsleser BRD:

Die US-Regierung fordert für Berlin: Freiheit der Bevölkerung, Anwesenheit westlicher Truppen. Freier Zugang durch die Luft, auf dem Wasserweg, über die Schienenstränge und die Autobahnen.

2. Zeitungsleser BRD:

Dazu befragt, ob die Bildung einer freien Stadt Berlin bedeute, dass die Staatsgrenze am Brandenburger Tor errichtet werde, antwortet Ulbricht:

1. Zeitungsleser DDR:

Ich verstehe Ihre Frage so, dass es in Westdeutschland Menschen gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir ist nicht bekannt, dass eine solche besteht. Die Bauarbeiter unserer Hauptstadt beschäftigen sich hauptsächlich mit Wohnungsbau, und ihre Arbeitskraft wird dafür voll eingesetzt. - Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.

Inzwischen sind immer mehr Leute und Zeitungsverkäufer auf die BRD- und DDR-Seite gekommen. Die BRD-Zeitungsverkäufer mit den Extrablättern rufen durcheinander:

1. Zeitungsverkäufer BRD:

Extrablatt, Ostberlin abgeriegelt!

2. Zeitungsverkäufer BRD:

Blockade über Ost-Berlin verhängt!

3. Zeitungsverkäufer BRD:

Panzer an allen Grenzen - Extrablatt!

4. Zeitungsverkäufer BRD:

Extrablatt, Stacheldraht um den Sowjetsektor!

5. Zeitungsverkäufer BRD:

Ostberlin gleicht einem Heerlager.

Alle erstarren. Der Spot geht auf die DDR-Arbeiter an der Mauer.

DDR-Arbeiter (zu Vopos):

Ich muss rüber nach West-Berlin, ich arbeite dort.

Die Volkspolizisten antworten nicht und lassen den Arbeiter nicht durch.

DDR-Arbeiter (ballt die Fäuste):

Wo ist Ulbricht, der Feigling?

Der Spot geht nun auf die BRD-Bürger.

Alle BRD-Bürger:

Freiheit für Berlin!

Der Spot geht auf ein DDR-Ehepaar. Dieses spricht mit der erwachsenen Tochter auf der Westseite.

Vater:

Wir kommen schon irgendwie zurecht, Ursula. Hauptsache, du bist drüben. Du hast ja noch dein Leben vor dir.

Ursula:

Ich hol euch rüber, egal wie. Pass gut auf Mutter auf, Vater ...

Die Eltern werden von den Volkspolizisten zurückgedrängt. Gleichzeitig winken sich Leute über die Mauer mit Taschentüchern zu. Andere versuchen aus dem Ostteil an den Soldaten vorbei in den Westteil zu kommen, werden aber brutal zurückgedrängt. Der Spot geht auf BRD-Jugendliche.

Jugendliche BRD:

Hört endlich auf, ihr Schweine!

Alle:MP3

Wir bauen an der Mauer, und jeden Tag ein Stück.
Wir bauen an der Mauer mit tränenvollem Blick.

Alle BRD:

Wir haben stets auf Gott vertraut
Und still ergebenst zugeschaut,
Ob sich das Wunder tut.

Alle:

Wir bauen an der Mauer mit Phrasen und Geschick.
Wir bauen an der Mauer mit dieser fünfzehn Jahre falschen Politik.

Eventuell folgende Choreographie: Die Leute gehen verschiedene Wege und kommen immer wieder an der Mauer an und prallen davon ab. Der Spot geht auf das DDR-Paar, das von unten auf die Bühne kommt.

Mann:

Menschenskind, Kleene, wir sind im Westen.

Frau:

Wir kletterten vorsichtig über die Schutthalden bis zur Böschung des Kanals. Wir suchten in einem Gebüsch Deckung. So blieben wir minutenlang liegen.

Mann:

Wir haben gezittert vor Aufregung und haben gelauscht. Aber es blieb ruhig.

Frau:

Es war eine wunderschöne Mondnacht. Der Mond schien auf den Osten, der Westen lag unter Wolken im Dunkeln.

Mann:

Auf der 200 m entfernten Wiener Brücke zeichneten sich im Mondlicht Posten mit Gewehren ab. Ich habe zu meiner Braut gesagt: Wenn wir jetzt losschwimmen, sind wir drüben, ehe die was merken.

Frau:

Wir haben uns bis auf die Unterwäsche ausgezogen.

Mann:

Und ich habe unsere Sachen in meinen Trenchcoat eingewickelt und in das Gebüsch gelegt.

Frau:

Es war nicht kalt. Wir sind beinahe ohne Wellenbewegung hineingeglitten und haben ganz ruhig langsame Schwimmbewegungen gemacht.

Mann:

Ich hatte Angst, dass meine Braut unterwegs bei dem geringsten Zwischenfall Panik bekommt und schlappmacht. Immer langsam Kleene, habe ich gesagt. Wir schaffen das schon.

Frau:

Kurt schwamm nur mit der rechten Hand. In der linken hielt er meine schwarze Handtasche mit unseren Papieren und den Briefmarken über Wasser.

Mann:

Nach etwa fünf Minuten spürten wir wieder Boden unter den Füßen. Es waren dicke, glitschige Steine. Und wir sind ein paar Mal ausgerutscht, bevor wir an Land gekrabbelt sind. Da war so ein Schrebergartengelände mit einem Maschendrahtzaun davor. Da sind wir rübergeklettert.

Die Mauer
Stern-Buch 1981 (S. 62)

Alle (singen)

Wir bauen an der Mauer, verbissen wie noch nie.
Wir bauen an der Mauer und einer Utopie.
Wir bauen an der Mauer und jeden Tag ein Stück.
Wir bauen an der Mauer mit tränenvollem Blick.

Alle BRD:

Wir hören wies dort drüben ist,
Fast jeder ist ein Kommunist,
Nur unser Bruder nicht.

Alle:

Wir bauen an der Mauer verdummt und schizophren,
Wir bauen an der Mauer und das Ende ist vorerst nicht abzusehen.